Esbeck    

8 Schöningen

Schöningen 

 

Von Esbeck erreichen wir fast übergangslos Schöningen.

 

Schöningen wurde erstmals 748 urkundlich erwähnt, als Pippin mit seinem Heer von Thüringen kommend den Ort durchquerte, um einen Feldzug gegen seinen Bruder Gripho zu unternehmen.

 

Das Hotel Kurhaus, eine Ansichtskarte aus dem Jahr 1900

Die mittels einer Pumpe aus einer Tiefe von 500 Metern zu Tage geförderte Sole machte Schöningen für Jahrhunderte zur „Salzstadt“.

Schöningen war in diesen Zeiten ein gern besuchtes Solebad mit Saline, Kurhaus und Kurpark. Die Salzgewinnung wurde jedoch 1970 eingestellt und besiegelte leider das Ende des Kurbetriebes. Die Lithographie zeigt das Hotel Kurhaus im Jahr 1900.

 

 Das fürstliche Schloss auf einem Stich von Merian aus dem Jahr 1653

Die beeindruckendsten Gebäude dieser alten Stadt sind das Schloss und die St. Lorenz-Kirche.

 

Die Ursprünge des Schlosses gehen auf das 14. Jahrhundert zurück. 1347 waren die Mauern der Stadt beim Ansturm des Erzbischofs Otto von Magdeburg gefallen. Darauf sah sich Herzog Magnus gezwungen, 1348 an dieser Stelle eine Wasserburg zu errichten. Er baute eine Anlage in einem Viereckgrundriss.

Das Wohnhaus wurde später in der Renaissancezeit(1) verändert und bekam erst 1910 als Wohnung des Pächters das heutige Gesicht. Der angebaute graue Turm war das besondere Bollwerk der Burg.

 

Die mit einem doppelten Graben versehene Burg hatte ihren Zugang über eine Zugbrücke vom Burgplatz her. Die Burg hatte oft Besuche residierender Herzöge aus Wolfenbüttel. Hauptsächlich wohl zu Treibjagden im Elm, an denen bis zu 3.000 Treiber teilnahmen.

 Rekonstruktionsversuch des Schlosses nach einem Stich von Merian im Jahr 1653. Angefertigt von Schülern des Schöninger Gymnasiums.

1542 zog Graf Albrecht von Mansfeld bei Beginn des Schmalkaldischen Krieges in Schöningen ein. Der Schlosshauptmann von Seggerde versuchte die Burg zu verteidigen. Aber die Truppen des Grafen Albrecht schossen aus den Schalllöchern der gegenüberliegenden St.-Vincenz-Kirche so gezielt, dass der Hauptmann am 06. August 1542 die Burg übergeben musste. Beschädigt wurden der Graue Turm, der Palas und Teile des Hausmannsturmes.

 

Aber bald darauf wurde die Burg von Heinrich dem Jüngeren wieder hergerichtet. 1568, nach Heinrichs  Tod wurde die Burg zum Witwensitz. Herzogin Sophie aus Polen, seine zweite Gemahlin,  setzte bald darauf den Garten in Ordnung, ließ ein Feigenhaus und einen Lustgarten errichten und exotische Gehölze anpflanzen. Auch der Palas erlebte zahlreiche Umbauten, große Fenster wurden an der Seite zum Burgplatz eingebaut. Der Graue Turm erhielt einen Renainessance-Erker(2).

 

Als zweite Witwe zog sodann Herzogin Elisabeth nach dem Tod ihres Mannes Herzog Heinrich Julius in die Burg ein. Aber auch sie nahm weitere Veränderungen vor. Der Palas wurde um fünf Meter verlängert und sie baute daran einen Treppenturm als zweite Wendeltreppe des Schlosses an. Am Eingang ließ sie ein einfaches, aber kunstvolles Portal schaffen.

 

Und die dritte, hier ihre letzten Jahre verbringende Witwe, Herzogin Anna-Sophia, setzte als Krönung über diesen Aufgang noch einen Aufbau.

 

Es waren augenscheinlich sehr zufriedene und vor allem lustige Witwen, die über einen Zeitraum von 1568 bis 1659 hier ihre Lebensabende verbrachten und die Burg zu einem Schloss umwandelten!

 

 

                                                                                                         

Am Ortsende in Richtung Schöppenstedt finden wir die zweitürmige St.-Lorenz-Kirche.

 

Die Klosterkirche St. Lorenz, Baubeginn im Jahr 1120

784 besuchte Karl der Große den damaligen fränkischen Königshof, auf dessen Gelände um 938 das von Calve an der Milde nach Schöningen verlegte Kanonissenstift angesiedelt wurde. Anfang des 12. Jahrhunderts begann sich die Kirche von der Bevormundung weltlicher Herrscher zu lösen. 

Im Zuge dieser Reformbestrebungen ersetzte 1120 Bischof Reinhard von Halberstadt das ursprüngliche Stift durch das Augustiner-Chorherrenstift St. Laurentii und besetzte das Kloster mit Augustiner Chorherren aus Hamersleben.

 

Die Räumlichkeiten des alten Kanonissenstiftes in Schöningen (Ostendorf) erwies sich  jedoch im Laufe der nächsten Jahrzehnte für die Mönche nicht ausreichend, so dass im oberen Teil Schöningens das dem Heiligen St. Lorenz geweihte Kloster errichtet wurde.

 

Die Lutterbuche, im Hintergrund das Pfarrhaus1648 wurde das Kloster nach der Säkularisierung aufgelöst und stattlich verwaltet. Heute gehört die Kirche der evangelisch-lutherischen Gemeinde. Die angrenzenden Gebäude des Klostergutes sind teilweise im Besitz des benachbarten Golfclubs. (Stand 2005)

 

 

Der Baubeginn der Kirche war im Jahr 1120. Aus einem Schreiben des Bischofs Eckehardt von Merseburg geht hervor, dass die Kirche 1235 noch nicht vollendet war. 1291 soll ein Brand fast sämtliche Nebengebäude des Klosters vernichtet haben. Durch einen Richtungswechsel des Windes blieb die Kirche vor der Zerstörung bewahrt.

 

Ende des 14. Jahrhunderts wurden weitere, nicht mehr bestimmbare Umbauten durchgeführt. Bei einer Katastrophe unbekannter Art wurden im 15. Jahrhundert das LanghaDer Chorraum, im Vordergrund der Taufsteinus und der Westteil zerstört.

 

Im Zuge einer Sanierung von 1975 bis 1983 wurde der Innenraum durch die Entfernung von Kirchenbänken, der Errichtung des beweglichen Altars in der Kirche und der Herstellung des jetzigen Fußbodenniveaus in seine heutige Gestaltung gebracht. (Stand 2005).

 

Es gibt Hinweise, dass die Kirche niemals in ihrer ursprünglichen Planung fertiggestellt wurde.

Das Langhaus in Richtung Westen, mit Orgel und Empore

Bedingt durch die häufigen Zerstörungen und Umbauten vereinen sich romanische und gotische Stilrichtungen im Gesamtbau. Ein ehemals mächtiger, romanischer Kreuzgang, der die Kirche mit den Klostergebäuden verband, ist nicht mehr vorhanden. Das ursprünglich im romanischen Stil errichtete Langhaus und der Westteil wurden bei einer Katastrophe unbekannter Art (Brand oder statische Probleme) zwischen 1400 und 1457 zerstört und im gotischen Stil neu errichtet.

 

Allerdings ist das gotische, einschiffige Langhaus mit seiner Länge von nur sechzehn Metern gegenüber dem ursprünglichen, dreischiffigen im romanischen Stil errichtete wesentlich zu kurz geraten. Beweis ist das nachstehend erwähnte Chorgestühl, welches zu damaliger Zeit stets den Mittelpunkt der Kirche bildete. Von außen optisch ausgeglichen wurde es durch den Anbau der sich nördlich anschließenden Räume "Himmel" und "Hölle", leicht unterscheidbar durch die unterschiedlichen Deckenmalereien.

 

Von dem im romanischen Stil errichteten Ursprungsbau sind lediglich noch Spuren im QuerhaDie Fratze als Verkörperung der Sündeus und Chor erhalten. Auch geht man davon aus, dass am Nordende der Kirche ursprünglich zwei weitere Türme zu finden waren.

 

Im Innenraum finden wir im westlichen Ende des Langhauses links neben der Orgel eine die Zunge herausstreckende Fratze. Anlässlich einer Führung wurde uns erläutert, dass sie die "Sünde" verbildlichen solle. Es stellt angeblich eine einem Mönch die Zunge zeigende Nonne dar. Den wissenschaftlichen Nachweis konnten wir jedoch bisher noch nicht erkunden.

 

Die Motiven aus dem Mittelalter nachempfundenen Ausmalungen aus dem 19. Jahrhundert im Chor und im Querhaus wurden von dem Braunschweiger Hofmaler Adolf Quensen ausgeführt.

 

Das aus Eichenholz gefertigte Chorgestühl im Langhaus ist leider nur noch unvollEine der Holzrelieftafeln: Gebet auf dem Ölbergständig erhalten. Auf einem an der Südwand befindlichen Klappsitz ist  oberhalb des eingeschnitzten Namens "hermanus brandes" die heute nicht mehr entzifferbare, Jahreszahl 1480 (?) zu finden.

 

Die beiderseits des Langhauses angebrachten zehn geschnitzten Holztafeln stammen aus dem 15. Jahrhundert und stellen Szenen aus dem Passionszyklus dar. Sie zeigen den Leidensweg Christi vom Einzug in Jerusalem bis zur Auferstehung.

 

An der Nordseite des Langhauses befindet sich ein aus Sandstein gefeSakramentshäuschen aus dem 15. Jahrhundertrtigtes spätgotisches Sakramentshäuschen aus dem 15. Jahrhundert mit Szenen aus dem jüngsten Gericht. Oberhalb der Darstellungen gepeinigter Menschen thront Christus als Weltenrichter mit Lilie und Schwert.

 

Die Orgel wurde 1997/98 von der Orgelbauerwerkstatt Becker in Kupfermühle errichtet. Sie umfasst 37 Register auf zwei Manualen und Pedalen.

 

Die steinerne Kanzel stammt aus dem Jahr 1903 und das aus Eichenholz geschnitzte Kruzifix aus dem 19. Jahrhundert. Der schlichte Taufstein wurde wahrscheinlich zur Zeit der Romanik geschaffen.

 

Die beiden silbernen, vergoldeten Abendmahlkelche sind unterschiedlichen Alters. Der jüngere trägt die Jahreszahl 1691, während der wahrscheinlich ältere nicht datiert ist. Es wird angenommen, dass er Anfang bis Ende des 14. Jahrhunderts gefertigt wurde.

 

 

Im Juli 1917 mussten wegen Materialnot der Kriegsindustrie zwei Glocken aVerbliebener Rest der 1917 zerstörten Glockebgeliefert werden. Von einer der Glocken splitterte (?) beim Herunterwerfen ein Stück mit der Aufschrift "Friede auf Erden" ab und wurde erst später wiedergefunden.

 

Dieser stille Protest der Glocke gegen ihre missbräuchliche Verwendung ist hat jetzt einen Ehrenplatz in der Kirche eingenommen.

 

 

Blick auf einige der Klostergebäude

Die an den Innen- und Außenwänden der Kirche angebrachten Epitaphe entstammen dem 17. und 18. Jahrhundert.

 

Abschließend ist ein Besuch des Außengeländes anzuraten. Nicht nur die "großzügig" ausgeschilderten Pflanzen bedürfen der Bewunderung sondern auch die so genannte Lutherbuche und die auf einem Rundgang zu entdeckenden Gebäude des ehemaligen Klostergutes.

 

 

Der Wassermaid-Brunnen

Der Geschichtsbrunnen

Die St. Lorenz-Kirche ist das Wahrzeichen der Stadt; oder aber auch die Wassermaid auf dem in der Innenstadt zu findenden Brunnen (rechtes Foto). Die Schöninger sind sich hierüber wohl nicht ganz einig.

 

Die Innenstadt wurde zu einer schönen Fußgängerzone umgewandelt, mit zahlreichen Geschäften und Fachwerkhäusern im Schatten der Stadtkirche St. Vincenz. Vom Schloss aus gesehen, am Eingang der Zone, stoßen wir auf den links abgebildeten Geschichtsbrunnen, ein wahres Meisterwerk.

 

Quellen: Neben eigenen Recherchen der DKV-Kunstführer Nr. 406/2, Deutscher Kunstverlag GmbH, München, Berlin

 

(1) Renaissance

(1500-1650). Von Italien ausgehender Baustil. Im Kirchenbau wird das Langhaus von einem Tonnengewölbe überspannt, getragen von durch Rundbögen verbundenen Pfeilern. Über dem lichtdurchfluteten Zentrum ruht eine große Kuppel. Beispielhaftes Muster für den Profanbau (Rathäuser, Burgen u.ä.) ist das Gewandhaus in Braunschweig.

(2) Erker

Ein- oder mehrgeschossiger Vorbau (im Obergeschossbereich).

 

 

  

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