Raebke,
Raebke
Auf
schnurgerader, aber „welliger“, achterbahnähnlicher Straße gelangen wir von
Lelm nach Räbke.
Am Ortseingang entdecken wir links neben dem Kreisverkehr
den Thie, eine mehr als
tausendjährige um einen Grabhügel angelegte Gottesdienst-, Versammlungs-
und Gerichtsstätte, die einzigartig im Braunschweiger Land
und noch in seiner vollen Größe erhalten ist. Derartige Plätze gab es bis zur
Mitte des 19. Jahrhunderts noch in den meisten Dörfern zwischen Mittelelbe und
der niederländischen Grenze.
Eine 1955 geplante Bebauung des Räbker Thies
mit einer Turnhalle konnte durch 1958 erfolgte Umwandlung des Geländes
in ein Landschaftsschutzgebiet abgewendet werden. Noch heute feiern
hier alljährlich die Räbker unter großer Anteilnahme ihr Sommerfest.
1750
klapperten sieben Wassermühlen in und um Räbke, angetrieben vom Wasser
der Schunter, einem kleinen Fluss, der knapp einen Kilometer vom Ort
entfernt am Rande des Elms entspringt und dessen Quelltöpfe wir noch
besuchen werden.
Bereits 1205 erbauten die so genannten Wassermönche des Klosters in Mariental (Tour 4, Punkt 2) an einer von ihnen geschaffenen Abzweigung der Schunter die Mönchsmühle.
Nach
einem weiteren Ausbau des Mühlengrabens auf insgesamt fast 400 Meter
Länge im Jahre 1235 siedelten sich im Laufe der folgenden Jahrzehnte und
Jahrhunderte weitere Mühlen dort an.
An einem zusätzlichen künstlichen Arm
der Schunter nahe dem Ferienpark südlich von Räbke wurde 1708 neben der
bereits bestehenden Amtsmühle der Gemeinde Warberg die Papiermühle
errichtet.
Und deren Bezeichnung verweist auf die große Vergangenheit
des kleinen Dorfes in der Geschichte der Fabrikation hochwertiger
Büttenpapiere. Von
Niedersachsens damals bedeutendsten Buchhändlern und -verlegern in Helmstedt
ausgehend, wurde 1594 das erste Papiergewerk in Räbke gegründet,
um die Versorgungssicherheit der überaus stark ausgelasteten
Universitätsdruckerei in Helmstedt mit Druckpapier zu verbessern. Dieses
neue Gewerbe entwickelte sich derart, dass in und bei Räbke zeitweise die enorme
Zahl von vier Papiermühlen vor sich hinarbeitete – nirgendwo in
Niedersachsen befanden sich derart viele Papiergewerke auf so engem Raum –
darunter gar deren zwei von überregionaler Bedeutung. Sie lieferten
ausgesprochene Qualitätspapiere, wie man sie im ganzen Lande und darüber hinaus
nicht hat finden können, sondern mit schweren Kosten hat einführen müssen.
Zumindest die "Obermühle" am Ferienpark wurde daher, weil die Holländer
die Papierherstellung international am weitesten perfektioniert hatten, sogar
zeitweilig als „Holländische Papiermühle“ bezeichnet.
Der kleine Mühlenort, der auch allein in diesem Punkt einen vordersten Platz in
Niedersachsen beanspruchen dürfte, war dereinst schlicht „Niedersachsens
Papiermacherdorf". Stolz trugen einige der Papiere den Ortsnamen RAEPKE
als Wasserzeichen in die Welt hinaus.
Heute längst Vergangenheit. Doch für Besucher des heutigen Dorfes von besonderer Attraktivität ist nun insbesondere die Existenz der in den letzten Jahren liebevoll und aufwendig restaurierten Liesebach-Mühle.
Anmeldungen zu einer Besichtigung unter http://www.muehle-raebke.de/
Und ein weiteres Stück Erinnerung ist geblieben. Ein
so genannter Kollergang einer ehemaligen Räbker „Ölmühle“ aus dem Jahr 1859
ist im Mühlenmuseum in Gifhorn zu bestaunen.
Auf einen lohnenden Rundgang durch das idyllische Räbke, 1046 noch Redepe genannt, sollten wir nicht verzichten. Entlang der Schunter und dem Mühlengraben finden wir über 200 Linden und Kastanien.
Und stoßen auf die
in ihrer Form so gar nicht den anderen in den umliegenden Dörfern ähnelnde St.-Stephani-Kirche. Die
ursprüngliche Kirche wurde 1798 abgerissen und statt ihrer nach den
Plänen des Braunschweiger Herzogs eine neue errichtet. Sehr zum Unwillen der
Bewohner. Die Einweihung
erfolgte am 29.11. 1801.
Und so steht sie dort noch heute. Quadratisch
und der Turm in der Mitte. „Kaffeemühle“ wurde sie hämisch von den
Bewohnern der umliegenden Orte genannt. Aber das hat was. Sie kann
stolz sein. Ist sie doch einzig hier am Elm.
Übrigens, lassen Sie sich nicht von der Jahreszahl 1904 über dem Eingang verwirren. In diesem Jahr wurde der Eingang überdacht.
Quellen: Die noch unveröffentlichte Chronik (Stand 2003) von Räbke, zusammengestellt von Herrn Frido Pleuss und freundlicherweise von dem ehemaligen Bürgermeister des Ortes, Herrn Klaus Röhr, zur Verfügung gestellt.
Joachim Lehrmann:
Die Frühgeschichte des Buchhandels und Verlagswesens in der alten
Universitätsstadt Helmstedt sowie die Geschichte der einst bedeutenden
Papiermühlen zu Räbke am Elm und Salzdahlum, ISBN 978-3-9803642-0-1 / eigene Recherchen
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