Till Eulenspiegel, ein Schelm?

Till Eulenspiegel 

Till Eulenspiegel

Nein, nicht nur, denn der überwiegend vernichtenden Beurteilung nach war Till Eulenspiegel ein fauler Gelegenheitsarbeiter, ein GauneTill Eulenspiegel (Bronzeskulptur) von Gerhard Marekr, Zechpreller, Bauernfänger und Beutelschneider, der verspottete, betrog und erpresste. Er ließ gelegentlich einen „sauren Furz“ oder er „schiss“ in den Senf. Ein Faulpelz also, aber quirlig, lebensklug und seiner Umwelt überlegen. Also vielleicht doch zumindest ein bisschen Schelm? Urteilen Sie selbst.

 

Titelbild der 1515 und 1519 herausgegebenen Bücher mit dem Titel "Ein kurtzweilig Lesen von Dyl Ulenspiegel uß dem Land zu Brunswick. Wie er sein Leben vollbracht hat. XCVI seiner Geschichten."Hermann Bote (1467 – 1520), 1488 Zollschreiber und 1493 Amtsvogt in Braunschweig, ist der höchstwahrscheinliche Verfasser, für eine sich selbst dazu ernannte Expertenrunde ist es allerdings der Franziskanermönch Thomas Murner, des 1510/1511 bei Johannes Grüninger in Straßburg gedruckten Volksbuches über Till Eulenspiegel. Des einzigen Welterfolges der Dichtung Niedersachsens.

 

Bis 1969 waren jedoch nur in jeweils einem Exemplar erhaltene Ausgaben aus den Jahren 1515 (Britisches Museum London) und 1519 (Forschungsbibliothek Gotha) bekannt.

 

Das bereits 1510/1511 herausgegebene Buch wurde 1969 als 16-seitiges Fragment durch einen Zufall entdeckt. Später, 1975, tauchte auf einer Buchauktion ein fast vollständiges Exemplar mit etwa 75 Prozent des Textes auf.

 

Das Buch war schon bald nach seinem Erscheinen ein „Bestseller“ im Abendland. In 96 Historien werden in diesem die meist rauen Streiche des damals ungeliebten Mitmenschen beschrieben.

 Der barhäuptigeTill Eulenspiegel. Ausschnitt aus dem Holzstich zur 18. Historie.Till Eulenspiegels Abbild auf dem Gedenkstein
Darin wird dieser Till zwar in einer damals schon etwas veralteten "Zaddeltracht" abgebildet, aber immer "barhäuptig". Er trägt weder Schellen, noch die berühmte Narrenkappe, die geschwänzte Gugel (Männerkapuze mit Schulterkragen).

 

Der wahrscheinlich um 1530 in Mölln aufgestellte Gedenkstein zeigt ihn mit einem helmartigen, mit zwei Federn geschmückten, Hut.

 

Erst in der 1532 bei Melchior Sachse in Erfurt erschienenen "Volksausgabe" wurde Till Eulenspiegel fälschlicherweise erstmals  als "Narr" mit Schellen und Gugel dargestellt.

 

 

Gab es ihn wirklich? Beweise darüber liegen nicht vor. Typisch Eulenspiegel!

 

 

Aber gehen wir davon aus, dass es ihn tatsächlich gegeben hat. 1300 wurde er in Kneitlingen (Tour 1, Punkt 2) bei Schöppenstedt am Elm, einem Höhenzug östlich Braunschweigs, geboren. Sein Vater hieß Claus Eulenspiegel und seine Mutter Ann Wibcken.

 

In Ampleben (Tour 1, Punkt 3), einem Nachbardorf, wurde er in der Kapelle seines Taufpaten Till von Ütze, einem berüchtigten Raubritter, getauft. Auf dem Rückweg nach Kneitlingen fiel die ihn tragende Patin jedoch nach allzu heftigem Biergenuss von einem Steg in den stark verschmutzten Bach. Sie besudelte sich und den armen Till so jämmerlich, dass er fast ertrunken wäre. In Kneitlingen angekommen, wurde das arme Kind in einem Kessel wieder „sauber und schön“ gewaschen.

 

So wurde Eulenspiegel an einem Tag dreimal getauft. Einmal in Ampleben, einmal im Bach, und schließlich in dem Kessel in Kneitlingen.

 Eulenspiegelhof in Kneitlingen

Till gedieh prächtig. Jedoch bereits in seinem dritten Lebensjahr beklagten sich die Nachbarn, dass Till ob seiner vielen Streiche ein Schalk wäre. Da nahm der Vater sich den Sohn vor und fragte ihn, warum das so sei. Doch dieser stritt das entschieden ab. Um zu beweisen, dass die Nachbarn ihm Unrecht taten, bat er den Vater, mit ihm durch Kneitlingen zu reiten. Vater Claus wollte sich davon überzeugen und nahm ihn hinter sich aufs Pferd und ritt durch den Ort.

 

Doch Till lüftete die Hose und zeigte den empörten Anwohnern, ohne dass der Vater es merkte, seinen nackten Hintern. „Schäme dich, du bist wahrlich ein Narr“, riefen diese ihm zu.

 

Der darüber verwirrte Vater setzte nun seinen Till  vor sich auf das Pferd und ritt abermals durchs Dorf. Aber nun steckte der Lausebengel den Nachbarn fortwährend die Zunge raus und grinste sie hämisch an. Und die Leute riefen: „Seht an, welch ein junger Schalk das ist!“

 

Da sagte der Vater: „Du bist freilich in einer unglückseligen Stunde geboren. Du sitzest still und schweigst und tust niemandem etwas. Und doch sagen die Leute, du seiest ein Schalk!“

 

Der verzweifelte Vater zog darauf mit ihm und seiner Familie von dannen in das magdeburgische Land an der Saale. Wenig später starb Vater Claus.

 

Dem Wunsch der Mutter, ein Handwerk zu lernen, kam er nicht nach. Gab es doch weit bessere Möglichkeiten durchs Leben zu kommen.

 

Nach vorherigem Versteck in einem Bienenkorb gelangte er auf die Burg eines Junkers. Dieser nahm ihn zum Hofjungen und ritt mit ihm in viele Städte, um dort zu rauben. Doch als Till den Senf des Junkers auf die nur ihm eigene Art mittels einer Notdurft „verlängerte“, musste er Hals über Kopf die Burg verlassen.

 

Und wurde zum ewig Reisenden. Nicht nur im Braunschweiger Land, sondern auch in Polen und Antwerpen, in Dänemark und beim Papst in Rom trieb er seine Possen und üblen Scherze.

 

Eule und MeerkatzeSeine Stärke und List bestand darin, die Worte seiner Gegenüber auf die Goldwaage zu legen und stets wörtlich zu nehmen. So bei einem Bäckermeister in Braunschweig. Dem gab er sich als Bäckergeselle aus. Und als er diesen fragte, was er nachts backen solle, sagte ihm dieser scherzhaft: „Eulen und Meerkatzen!“ Nahm er doch an, dass Till als gelernter Bäcker wisse, dass die Kunden am nächsten Morgen Brot und Brötchen haben wollten. Doch Till hielt sich an dem Befehl und backte Eulen und Meerkatzen. Der Meister war außer sich und Till kam seinem Verlangen, den Teig zu bezahlen, sofort nach. Stellte sich mit seinen sonderbaren Backwaren vor die Kirche und verkaufte sie mit einem hohen Gewinn an die begeisterten Braunschweiger.

 

Die letzte Station seines bewegten Lebens war Mölln in Schleswig-Holstein. Elend und krank zog er zu dem Apotheker des Ortes einer Arznei willen. Dieser gab ihm ein scharfes Abführmittel. Und als dieses wirkte stand Till auf, „um seines Kotes ledig zu werden.“ Doch das Haus des ihm übel wollenden Apothekers war verschlossen. Er ging in das Apothekerzimmer und „machte“ in eine Arzneidose. „Hier kam die Arznei heraus, hier muss sie wieder hinein.“

 

Aber alsbald, im Jahre 1350, raffte ihn die Krankheit dahin. Zuvor erschien aber seine noch immer arme Mutter am Krankenbett und bat umsonst um einen Teil seines Gutes. Selbst arm wie eine Kirchenmaus konnte er ihr lediglich eine von ihr erbetene gute Lehre hinterlassen: “Liebe Mutter, wenn du deine Notdurft verrichtest, kehre den A.... von dem Winde weg, dann kommt dir der Gestank nicht in die Nase.“

 

Aber auch schon damals gab es den Kampf der Generationen. Denn eine der drei nicht begangenen Sünden, die Till beichtete, war, dass er nicht allen alten Weibern, die über die Jahre hinaus sind, die Ä..... zuflicken konnte. „Denn diese Frauen sind zu nichts nütze mehr auf Erden, als dass sie das Erdreich besch....., worauf die Frucht steht.“ 

 

Und wie schon seine Taufe ging auch die Beerdigung nicht in der allgemein üblichen Form vonstatten. Denn alSchlussvignette des Buches von 1515s sein Sarg auf die über das Grab gespannten Seile gestellt wurde, riss das für das Fußende vorgesehene und Till stürzte samt Behältnis so in das Grab, dass er in seinem Sarg auf den Füßen zu stehen kam. Und die Anwesenden riefen: „Lasst ihn stehen! Wunderlich ist er gewesen in seinem Leben, wunderlich soll er auch sein in seinem Tode!“

Und auf seinen Grabstein schrieben sie: „Disen Stein sol nieman erhaben. Hie stat (steht) Ulenspiegel begraben. Anno domini MCCCL (1350) jar.“

 

 

Till EulenspDer Original-Gedenkstein in Möllniegels Grab werden Sie in Mölln leider vergeblich suchen. Jedoch erinnert an diesen wohl doch lebensklugen, rauen Zeitgenossen, dAbguss des Gedenksteins im Till-Eulenspiegel-Museum Schöppenstedter auch heute noch den so genannten "Mächtigen" der Welt den Spiegel vorhalten und auf deren eigene Schwächen und Verfehlungen hinweisen könnte, dieser Gedenkstein an der dortigen St. Nikolaikirche.

Ihn als Grabstein, wie mehrfach behauptet,  anzusehen, muss jedoch bezweifelt werden.  Denn um 1350, als die Pest in Europa wütete, setzte man einem fahrenden Gesellen keinen Grabstein. Es ist eher anzunehmen, dass er um 1530 gesetzt wurde, nachdem die Möllner sich der vielen Nachfragen nicht mehr erwehren konnten.

 

Ein originalgetreuer Abguss des Steines befindet sich im Till-Eulenspiegel-Museum  in Schöppenstedt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

2010 wurde aus Anlass der vor 500 Jahren erstmals erschienenen Ausgabe eines Till-Eulenspiegelbuches eine vom Bayerischen Hauptmünzamt geprägte 10 EURO-Gedenkmünze herausgegeben. Der Entwurf stammt von dem Künstler Friedrich Brenner aus Diedorf.


 

 


2011 folgte diese Sonderbriefmarke. Nicht als freundlich-ironischen Schelm,  sondern als zähnefletschendes Unheheuer hat ihn Professor Professor Henning Wagenbreth dargestellt. Nun, er mag vielleicht nach neuesten Forschungen ein Straßenräuber gewesen sein, die Menschen belogen und betrogen haben.

 

Aber diese Darstellung entspricht nicht dem Bild, das zumindest wir nach Studium der 95 Historien von ihm gewonnen haben. Und sicher auch nicht dem unserer Kinder, die ihn als fröhlichen, aber auch manchmal rauen Gesellen einschätzen und auch so zumeist in ihren Zeichnungen abbilden.

 

Die Sonderbriefmarke wurde aus Anlass des Erscheinens des ersten Eulenspiegelbuches herausgegeben und nicht, obwohl es so scheint, als Erinnerung an Till-Eulenspieges Geburtstag und sein erforschtes, vermeintliches Lebensbild.

 

500 Jahre Till Eulenspiegel? Stimmt nicht und ist irreführend. Eulenspiegel wurde um 1300 geboren, also vor rund 700 Jahren.

 

Vor 500 Jahren erschien das erste Till-Eulenspiegel-Buch. Dieser Vermerk fehlt sowohl auf der Münze als auch auf der Briefmarke.

 

 

 

 

Zahlreiche Angaben wurden dem Buch "Till Eulenspiegel" von Siegfried H. Sichtermann, erschienen im Insel-Verlag, Frankfurt a.M., entnommen.

 

 

Interessante Links:

 

Einen interessanten Beitrag zu Tills eventuellen Lebensverlauf fanden wir in der Hannoverschen Presse, den Franziska Becher unter dem Titel "Till Eulenspiegel war ein Straßenräuber" dort am 19. Mai 1986 veröffentlicht hat und den wir hier wörtlich wiedergeben.

 

Außerdem können Sie auf dieser Seite des Magazins Spiegel sämtliche 96 Historien nachlesen und ausdrucken. Und vielleicht dann entscheiden, ob das die Taten eines Schelms oder eines Gauners waren.

 

Und wer weitere Informationen über Till Eulenspiegel einholen und sich zudem über den Vogel des Jahres 2005, die Eule, informieren möchte, dem sei die  Seite von Frau Dr. Monika Kirk empfohlen.

 

© Jürgen Mewes

 

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