Heiningen
Von Gebhardshagen über Lobmachtersen, Flach-Stöckheim, Groß- und Kleinflöthe kommend erreichen wir nach „Überwindung“ des schönen Oderwaldes den Ort Heiningen.
Trotz fehlender Gründungsurkunde sind sich die Chronisten einig, dass das Kloster Heiningen als Kanonissenstift(1) im Jahr 1001 gegründet wurde.
Der Hildesheimer Bischof und spätere Heilige Bernward zog eigens mit den beiden Gründerinnen, der edlen Frau Hildeswit und ihrer Tochter Alburgis nach Italien, um dort von Kaiser Otto III. die Genehmigung zur Klostergründung zu erbitten. Hierüber liegt ein Bestätigungsschreiben Kaiser Heinrichs II. vor, das dieser 1013 in der bei Werlaburgdorf gelegenen Kaiserpfalz Werla unterzeichnete.
Die Kanonissen verfügten über einen beachtlichen Grundbesitz, in und um Heiningen, aber auch im Bistum Halberstadt.
Im Jahre 1126 wurde das Stift reformiert und die Augustinerregel(2) eingeführt. Die ehemalige Stiftkirche St. Peter und Paul diente auch der Gemeinde als Gotteshaus. Wirtschaftlich bedeutend war die 1140 erteilte kaiserliche Erlaubnis, einen Wasserlauf der Oker nach Heiningen zu führen.
Trotz des hohen Grundvermögens der Augustinerinnen war das Kloster im hohen Mittelalter verarmt. Ursachen waren der Ausbruch der Pest und schlechte Ernten.
1451 erhielt der Prior Berthold des Sülteklosters in Hildesheim die Verwaltung. Durch ihn kam das Kloster wieder zu Wohlstand und konnte ca. 100 Ordensfrauen aufnehmen.
Um 1569 ließ Herzog Julius von Braunschweig die Reformation(3) im Fürstentum Braunschweig einführen und die Ordensfrauen wurden gezwungen, das lutherisch-evangelische Bekenntnis anzunehmen.
Aber 1624 besetzte der Hildesheimer Bischof im Zuge der Reform das Kloster wieder mit katholischen Ordensfrauen und richtete hier eine Pfarrstelle ein.
Im 30-jährigen Krieg (1618 bis 1648) wurden das Kloster und die Kirche ausgeplündert und z.T. stark zerstört. Die Kirche wurde am 5. Oktober 1658 neu konsekriert und die Klostergebäude nach 1661 wieder aufgebaut.
Die Kriegsfolgen aus dem 17. und 18. Jahrhundert setzten Heiningen sehr zu. Nachdem im Jahre 1806 das Kloster an das Königreich Westfalen gefallen war, wurde es 1810 aufgehoben. Die Ländereien wurden an Johann Samuel Markworth aus Schöningen verkauft und kamen somit in Privatbesitz. Als Erbschaft übernahm daraufhin Markworths Tochter Christiane das Klostergut. Sie war verheiratet mit dem Braunschweiger Woll- und Hopfenhändler Carl Degener, der dann die Bewirtschaftung übernahm.
Nach Carl Degeners Tochter Sigrid übernahm 1954 deren Bruder Carllutz die Geschäfte. Zwecks Abwendung eines Konkurses verkaufte dieser 1982 die gesamte Ackerfläche.
Und heute ist dessen Sohn Andreas Degener, ein gelernter Landwirt, Besitzer des Anwesens. Er pachtete Land, schaffte eine Kuhherde an, deren Milch in der hauseigenen Käserei von ihm selbst verarbeitet und im auf dem Gelände befindlichen Hofladen verkauft wird.
Die Klosterkirche wurde der Gemeinde als Gotteshaus zugewiesen und 2001 restauriert.
An der Innenseite der nördlichen Klostermauer wurden zahlreiche, stark verwitterte Epitaphe(4) befestigt.
Durch ein verschlossenes Gitter können wir einen Blick auf einige Särge des unter dem Kirchturm befindlichen Erbbegräbnisses(5) der Familie Degener werfen. Hinweise auf die Vergangenheit der Stiftskirche St. Peter und Paul als ehemalige Patronatskirche(6).
Auffällig ist der Taubenturm, der uns beim Betreten des Gutes sofort ins Auge fällt. Auf seiner Wetterfahne lesen wir die Jahreszahl 1786.
Gehen Sie einmal über das Gelände und rufen Sie die Geschichte in Ihr Gedächtnis zurück. Sehen Sie Ordensfrauen über das Gelände eilen oder im stillen Gebet verharren.
Und gehen Sie abschließend in die Klosterschänke. Der etwas triste Eindruck des Lokals lässt nicht erahnen, dass es hier mit die leckersten Grillhaxen im Braunschweiger Land gibt, zumindest für uns (Stand 2002).
Quellen: Braunschweiger Zeitung und "Heiningen, St. Peter und Paul", erschienen im Euro Art Verlag Kurt L. Lehner, Passau
(1) Kanonissen |
Weibl. Mgl. der Kanonikerorden. Die meisten Kanonissenstifte (Klöster der K.; seit dem 6.)Jh.) wurden nach Reformation und Säkularisation aufgelöst oder in Damenstifte umgewandelt. |
(2) Augustiner |
Zusammenfassende Bezeichnung für zahlreiche (männl. und weibl.) kath. Klostergenossenschaften, die nach der wohl auf Augustinus zurückgehenden Augustinusregel (A.-Regel) leben. Zu den A. zählen die A.-Chorherren, die A.-Eremiten. Bedeutende dt. Augustiner waren Luther, Abraham a Sancta Clara, G.)Mendel. |
(3) Reformation |
Durch Luther ausgelöste Bewegung zur Erneuerung der Kirche im 16. Jh., die zur Bildung der protestantischen Kirchen führte. |
(4) Epitaph |
Gedenktafel mit Inschrift für einen Verstorbenen an einer Kirchenwand oder an einem Pfeiler. |
(5) Erbbegräbnis |
Recht des Patronaten, der für den Unterhalt der Kirche zu sorgen hatte, in dieser eine Familiengruft einzurichten. |
(6) Patronat |
Rechtsstellung des Stifters einer Kirche oder seines Nachfolgers (mit Vorschlags- oder Ernennungsrecht und Unterhaltspflicht für die Pfarrstelle). |
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