Eitzum
Wir verlassen Räbke und fahren vorbei an dem
ähnlich Groß Rhode (Punkt 9) ehemaligen Dorf Brunsleberfeld, der
jetzigen Försterei. Ehemals mit einem „Kaffee-Restaurant“
Und nach einer zu empfehlenden Rast in dem am Waldrand gelegenen Waldlokal „Watzumer Häuschen“, von dem aus sich uns ein herrlicher Blick auf den höchsten Berg des Harzes, den Brocken, eröffnet, erreichen wir unsere letzte Station, Eitzum.
Zahlreiche archäologische Funde deuten darauf hin, dass der Ort und seine nähere Umgebung über Jahrtausende eine besiedelte Gegend war.
Im Oktober 1986 legte der Eitzumer Bürger Günther Spanger auf seinem Grundstück an der Hauptstraße bei Gartenarbeiten einen tönernen Kugeltopf und etliche Scherben frei. Der hinzugerufene Bezirksarchäologe Rötting entdeckte bei einer daraufhin erfolgten systematischen Ausgrabung die Reste einer Töpferei, wahrscheinlich aus dem 14. Jahrhundert.
Der fruchtbare Lössboden und das Tal der Altenau lockten bereits zur Zeit der Linienbandkeramik (5.600 - 5.000 v.Chr.) Siedler aus der ungarischen Tiefebene in die Gegend von Eitzum.
Die südlich von Eitzum, nahe der B 82, von 1956 bis 1958 von F. Niquet durchgeführten Ausgrabungen auf dem Acker Wagenführ erbrachten zahlreiche Funde aus dieser Zeit. Die aus gebranntem Ton gefertigten Haushaltsgefäße, stellten eine Errungenschaft dar, die mit den ersten Bauern ins Land gebracht wurden. Sie dienten zum Kochen und zur Vorratshaltung von Nahrungsmitteln und Saatgetreide.
Eine 1987 von Harald Stäuble durchgeführte vierwöchige Grabungskampagne zwischen den zuvor von Niquet bearbeiteten Flächen führte zu der Entdeckung von Grundrissen zweier Häuser aus der ältesten Bandkeramik.
Anhand der vorgefundenen Pfosten, die sowohl für die Bildung der Außenwände als auch zum Tragen der Dachflächen dienten, kann zumindest bei einem der Häuser davon ausgegangen werden, dass es eine Breite von zehn und eine Länge von zwanzig Metern hatte. Diese nunmehr über 7000 Jahre alten Hausgrundrisse sind die ältesten der bisher im Braunschweiger Land gefundenen.
Über die Bedeutung der zudem freigelegten Gruben und eines 51 Meter langen Grabenabschnittes konnten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Grabungsberichtes und wahrscheinlich auch noch heute keine endgültigen Befunde erbracht werden. Sie können sowohl Müllbehälter als auch Gräben für die Entwässerung der Dachflächen gewesen sein. Vielleicht wurden sie aber auch zur Lehmgewinnung für den Hausbau genutzt.
Plastisch gestaltete Gegenstände sind in der Eisenzeit ausgesprochen selten. Vermutlich weil sie bei den frühen Germanen überwiegend aus Holz hergestellt wurden und sich daher nicht erhalten haben. Diese in Eitzum gefundene bronzene Stierkopfplastik aus der späten Eisenzeit (um Christi Geburt) diente als Trinkhornbeschlag. Stilistisch ist sie mit den spätkeltischen und römischen Stücken verwandt.
Eitzum
verdankt seinen Namen den Cheruskern, einem tapferen Volksstamm der
Germanen. Darauf schließen lässt die Endsilbe „um“, dem hochdeutschen „Heim“
gleichzusetzen. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte 1260,
als die Gebrüder von Dalem 5 Hufen (150 Morgen) Land in Etzem
an das Augustinerinnenkloster Marienberg bei Helmstedt verkauften.
Der 30-jährige Krieg (1618-1648) - siehe Tour 3, Punkt 5 - ging
auch an Eitzum nicht spurlos vorüber. Die von Tilly angeführten Heere
des Kaisers Ferdinand II. töteten aus blanker Mordlust zahlreiche
Einwohner und verwüsteten den Ort. Rund 300 Dörfer allein
im Fürstentum Braunschweig erlitten das gleiche Schicksal.
Es dauerte geraume Zeit, bis die wenigen
Einwohner, die durch Flucht dem Gemetzel entkommen waren, das kleine Dorf
wieder besiedelten.
Über Jahrhunderte herrschte in Eitzum große Not.
Viele Klagen wurden laut über die schlechte Feldmark und die Armut der Bauern. Erst nach Ablösung
der Herrendienste begann der Ort im 19. Jahrhundert wieder
aufzublühen. 1802 klapperten drei Mühlen im Ort. Eine
weitere kam später hinzu. Inzwischen ist wieder Ruhe eingekehrt. Die
Mühlen sind leider nur noch Geschichte.
1291 verweist
erstmals der Name des Predigers Conradus de Etzem auf das
wahrscheinliche Vorhandensein einer Kirche in Eitzum.
Um 1400 wird eine Kirche in einer Matrikel(1) des
Bistums Halberstadt erwähnt.
1569 wird
ein Gotteshaus in Rhoden als Waldparzelle, 20 Minuten vom Ort entfernt,
genannt. Ob dort jemals ein Gotteshaus gestanden hat, ist jedoch nicht nachgewiesen
worden. Erst später erhielt die Parzelle den Namen Pfingstöhse.
Aber schon zuvor, im Jahr 1510,
wurde erwiesenermaßen eine kreuzförmige Kirche auf dem Grundstück der
heutigen errichtet. Daran erinnert der jetzt über der Sakristeitür(2)
angebrachte Stein mit dieser Jahreszahl. Man hatte es sich zu
eigen gemacht, diesen Stein jeweils in die nachfolgenden Neubauten einzusetzen.
Der Turm hielt darin die Mitte
und ruhte auf zwei Bögen. An dem Flügel nach Norden, in dem sich die
Frauenstühle befanden, war eine Gehrkammer, ein Aufbewahrungsort für die
kirchlichen Geräte und Gewänder, angebaut. In dieser befand sich auch ein
großer, eichener und mit Eisen beschlagener Kasten - vielleicht
ein weiterer Tetzelkasten? - , der von den plündernden Soldaten im 30-jährigen
Krieg zerstört wurde. 1658 wurden dessen Reste entfernt und
das verbliebene Eisen verkauft.
Das Dach und der Turm der Kirche
waren mit Stroh bedeckt und somit sehr reparaturanfällig. 1685
musste das eingefallene Totenhaus wieder erneuert werden.
1706 wurde die Kirche bedeutend vergrößert und dadurch sowohl inner- als auch äußerlich stark verändert. Die kleinen, „elenden“ Fenster wurden zugemauert und statt ihrer große, „wackere“ eingebaut. Die Gehrkammer wurde abgerissen.
1766, also
nur 60 Jahre später, wurde die Kirche samt Turm abgebrochen und
an deren Stelle eine neue, aber recht einfache, errichtet. Die Kanzel stand
über dem Altar im Osten, im Kirchenschiff befanden sich die Frauenstühle.
Für die Männer hatte man an den nördlichen und südlichen Seiten
Priechen angebracht. Die genau deklarierten Baukosten weisen unter anderem aus,
dass „beim Holzholen von Wernigerode für 3 Thaler Bier vertrunken
wurde“ .
Doch auch diese Kirche war schlecht gebaut.
Bereits nach 100 Jahren wurde sie wegen Baufälligkeit gesperrt
und bis auf den Turm kurz darauf abgerissen. Man stellte fest,
dass die unter Hofbaumeister Fleischer von dem Mauermeister
Roth und dem Zimmermeister Keunecke „zu Schöppenstedt“
gebaute Kirche aus keinem dauerhaften Material gebaut und deshalb „aus dem Lote
gewichen“ sei. Wen verwundert es also,
dass der berühmte Turm der Schöppenstedter Kirche St. Stephanus auch im Laufe der Jahre aus
dem Lot geraten ist!
Am 7. Oktober 1866 fand die Grundsteinlegung
der heutigen Kirche statt. In dem ausgehöhlten Grundstein wurde eine Blechkapsel
untergebracht, welche eine Urkunde mit den Namen sämtlicher zu
der Zeit in Eitzum lebenden Familien enthält. Aber gemeiner Weise hat
man auch die Namen der Schöppenstedter Handwerker darin vermerkt,
mit dem Hinweis, dass diese den erforderlichen Abriss der Kirche angeblich verschuldet haben.
Bereits am 1. Dezember 1867 wurde die Kirche eingeweiht. Der quadratische Turm wurde nicht erneuert, sondern nur ausgebessert, um 13 Fuß erhöht und 1874 mit einer neuen Spitze versehen. 1876 wurde die Kirchturmuhr eingebaut. Von den Zifferblättern war das südliche seit 1749 schon vorhanden, während das nach Westen gerichtete 1888 angeschafft wurde.
Auch die Wetterfahne von 1708 hat somit ein bewegtes Dasein hinter sich und schon ungezählten Stürmen und Gewittern getrotzt. Noch heute zeigt sie stolz die richtige Windrichtung an.
Der kleine und sehr einfache Altar
wurde aus Quadersteinen errichtet. Die an der Südseite befindliche Kanzel
ruht auf einer Steinsäule mit hübschem Fuß und Kapitellen(3). Die
Felder der Kanzelbrustwehr schmücken die vier aus Holz
gefertigten Evangelisten Mathäus, Markus, Lukas und Johannes. Die Säule
und die
Figuren wurden aus der vorherigen Kirche übernommen.
Die vier der ursprünglich sechs großen Ölgemälde
-zwei wurden zwischenzeitlich leihweise der Gemeinde
Weferlingen überlassen- entstammen
dem 1145 gestifteten Zisterzienserkloster Riddagshausen in
Braunschweig.
1891/92 hat
die Kirche durch den Braunschweiger Hofdekorationsmaler Quensen noch
einige prächtige Wandgemälde an der Apsis erhalten.
Ein Kleinod ist das wertvolle Vortragekreuz(4) aus Bronze.
Quelle zahlreicher Angaben: C.
Schattenberg, „Eine chronikalische Schilderung des Dorfes Eitzum“, 1895. Herr Schattenberg
war ab dem 01.Januar 1889 Pfarrer in Eitzum.
Die Anmerkungen über die Ausgrabungen auf dem ehemaligen "Acker Wagenführ" basieren auf einen 1990 verfassten Grabungsbericht von Harald Stäuble, den uns der jetzige Bewirtschafter des Ackers (Stand 2004), Herr Großhennig, nebst Foto freundlicherweise zu Verfügung stellte.
(1) Matrikel |
Amtl. Verzeichnis über Personen, z.B. Liste der an einer
Hochschule Studierenden (Immatrikulierten) oder Kirchenbuch mit Tauf-, Firmungs-,
Eheschließungs-, Sterberegister. |
(2) Sakristei |
Nebenraum in der Kirche für den Geistlichen u. die
gottesdienstlichen Geräte. |
(3) Kapitell |
Der oberste Teil (Kopf) bei Säulen, Pfeilern, Pilastern
als Zwischenglied zw. Stütze und Last. |
(4) Vortragekreuz |
Wird bei Prozessionen (Umzügen
der katholischen Kirche) vorangetragen. |
Unser Ausflug geht zu Ende. Wir erreichen den Ausgangspunkt unserer Rundfahrt. Vor uns liegt Schöppenstedt mit seinem liebenswerten Ortsteil Küblingen. „Hallo, Mariechen“, so nennen wir unsere kleine Kirche (Tour 6, Punkt 1) in Küblingen, die schon so viele hat kommen und gehen sehen - auf welche Art auch immer - , „Wir sind wieder da!“
Für Berichtigungen oder Ergänzungen zu dieser
Tour sind wir jederzeit dankbar. Schicken Sie uns dann doch bitte eine
Nachricht.
Unser Charly (Foto), ein Norfolkterrier, der dank seiner Spürnase sich oft seinen eigenen Weg suchte und uns somit weitere Ausflugsziele entdecken ließ, ist leider von uns gegangen.
Doch er hat uns einen exellenten Nachfolger geschickt. Einen pfeilschnellen Mischling aus dem Tierheim. Ein Portugiese namens Ronni, mit gleichfalls feinstem Geruchssinn.
Lust auf mehr? Auf unserer Partnerseite erfahren Sie alles über die Region zwischen Elm und Asse.
uDiese Seite ausdrucken (Nahezu optimaler Ausdruck im Querformat)