Vier Dioramen im Naturhistorischen Museum Braunschweig werden trotz massiver Proteste entfernt

Braunschweiger Zeitung                                                                                             Donnerstag, 03.11.2011

 

Das Naturhistorische Museum Braunschweig wird trotz massiver Proteste in der Bevölkerung seine vier rund 60 Jahre alten Dioramen umsetzen und an gleicher Stelle eine Pförtner-Loge errichten. Diese Entscheidung fiel Donnerstagabend nach einem Expertengespräch.

 

Kulturministerin Johanna Wanka (eine ihrer Leitlinien: Kunst und Kultur sind wichtig für die Identifikation und das Zugehörigkeitsgefühl der Menschen zu ihrer sozialen Umgebung und ihrer Heimat) teilte dies im Anschluss mit. Die vier Dioramen, um die es geht, stammen aus den Jahren 1954 und 1955 und wurden nach einem Entwurf von Dr. Adolf Kleinschmidt von dem Präparator Heinrich Jürges und dem Maler Goerg Linhardt angefertigt. Die dreidimensionalen Schaubilder zeigen Wildkaninchen, Hase, Weiß- und Schwarzstorch in ihrem Lebensraum und gelten wegen ihrer hohen Qualität in Expertenkreisen als herausragende Arbeiten.

 

Es gäbe leider keine andere Möglichkeit als die Umsetzung der Dioramen bei der dringend erforderlichen Umgestaltung des Foyers. So wie jetzt sei das Museum nicht mehr weiterzubetreiben, da elementare Brandschutzauflagen nicht eingehalten würden und es zudem keinen gesetzlich vorgeschrieben Fluchtweg für Besucher gebe. "Die Alternative wäre gewesen, das Museum zu schließen oder die Zahl seiner Besucher zu begrenzen." Sehr wohl habe man die vielen Proteste zur Kenntnis genommen. Allerdings, so Wanka weiter, sei die Diskussion teils unsachlich und ohne stichhaltige Argumente geführt worden.

 

Uwe Moldrzyk, Leiter des Museums für Naturkunde Berlin und Teilnehmer der Expertenrunde, sagte: "Es ging meist nur um das Motto: Ich möchte, dass die Dioramen erhalten werden, weil meine Eltern sie mir damals als Kind gezeigt haben und genauso möchte ich sie später meinen Kindern zeigen." Dabei seien Dioramen heutzutage nicht unbedingt mehr zeitgemäß. Es gebe längst andere Möglichkeiten, Menschen die Natur nahezubringen.

 

Sein Kollege, Museumsdirektor Ulrich Joger, versprach dass die Inhalte der vier Dioramen erhalten bleiben. Sie würden in die neue Ausstellung im Foyer integriert.

 

"Alle Museen ändern sich permanent. Nichts wird versiegelt für die nächsten 300 Jahre", nannte Uwe Moldrzyk Gründe. Die neue Ausstellung im Foyer zeige endlich jene Präparate, die bislang eingelagert und nicht zu sehen waren.

 

Braunschweiger Zeitung                                                                                                       Freitag, 04.11.2011

Die Entscheidung, vier der 18 Dioramen im Erdgeschoss des Naturhistorischen Museums zu entfernen und dabei möglicherweise einzigartige Hintergrundmalereien zu zerstören (wir berichteten), löste in der Leserschaft unserer Zeitung einen gewaltigen Paukenschlag aus, der noch in Hannover, im Wissenschafts- und Kulturministerium, wahrgenommen wurde.

Dem Museum werde jetzt "auch noch die Seele rausgerissen", beklagten Dioramen-Freunde, die vor allem kritisierten, dass die Entscheidung über die Köpfe der betroffenen Braunschweiger in der Landeshauptstadt gefällt worden sei, trotz nicht zu überhörender Proteste in der Bevölkerung.

Wieder einmal habe "sich die Arroganz der Entscheidungsträger nicht um den klar formulierten Willen der Bevölkerung gekümmert, heißt es. Auch von herzlosen "Dioramenzerstörern" ist die Rede und einem mutmaßlichen "Gegenschlag" des Museumsdirektors, der "seinen hässlichen Anbau" nicht habe errichten dürfen. Andere Leser wandten sich direkt an den Berliner Uwe Moldrzyk, Leiter der Ausstellungsplanung im Museum für Naturkunde, und baten ihn um eine Stellungnahme zu seinen Äußerungen, die Dioramen-Debatte sei "unsachlich und ohne stichhaltige Argumente" geführt worden.

In einer Stellungnahme kommentierte Moldrzyk heute diese Aussage. Zunächst, ihm als Berliner sei nicht egal, was mit dem hiesigen Museum passiert. Denn es gebe Beweggründe für eine Modernisierung des Naturhistorischen Museums, ungeachtet persönlicher Meinungen wie die von ihm geäußerte.

Alle deutschen Museen hätten Finanzierungsprobleme. "Denn fast alle Länder, die diese Museen unterhalten, haben leere Kassen." Und das führe zu "merkwürdigen Überlegungen": Müssen wir dieses oder jenes Museum überhaupt "behalten"? Wobei Museen, die ihren Auftrag sehr gut erfüllen, in dieser Debatte "außen vor" seien. "Den anderen geht es mit Etat- und Personalkürzungen schnell an den Kragen."

Leipzig, Erfurt, Hamburg, Berlin-Charlottenburg – die Liste der ausgestorbenen oder stark gefährdeten Naturkundemuseen (diese betreffe es besonders) werde sich in den kommenden Jahren vermutlich schnell verlängern. Moldrzyk: "Das sind sehr alarmierende Zeichen und viele Kollegen versuchen unter allen Umständen, solche Schließungs- und Auflösungsüberlegungen im Keim zu ersticken. Deshalb ist mir auch nicht egal, was in Braunschweig geschieht."

 

Keineswegs handele es sich beim Abbau der vier Dioramen um einen "willkürlichen, herzlosen, unüberlegten Akt". Er, Moldrzyk, sei der festen Überzeugung, dass alles dafür getan wird, dass das Naturkundemuseum auch künftig attraktive Erlebnisse liefert, an die sich Kinder später gern erinnern werden.

 

Was ist ein Diorama?

 

 

Als Diorama bezeichnet man einen Schaukasten, bei dem mit Modellfiguren und -landschaften vor einem oft halbkreisförmigen, bemalten Hintergrund u.a. Tiere in ihrer natürlichen Umgebung dargestellt werden.

 

 

 

Staatliches Naturhistorisches
Museum Braunschweig

Pockelsstraße 10
38106 Braunschweig

Di - So 9.00 - 17.00 Uhr
Mi        9.00 - 19.00 Uhr
Mo geschlossen

Ausnahmen an Feiertagen:
Neujahrstag, 1. Mai,
Pfingstsonntag, Heilig Abend, 1. Weih-
nachtstag, Silvester:
geschlossen

Karfreitag, Ostermontag, Himmelfahrt,
Pfingstmontag, 3. Oktober,
2. Weihnachtstag: 9.00 - 17.00 Uhr.
Änderungen möglich!
Bitte beachten Sie auch die Tagespresse.

Nachstehend sehen Sie einige der insgesamt 29 im Naturkundemuseum Braunschweig befindlichen Dioramen.

Weißstorch, soll entfernt werden.

Hase, soll entfernt werden.

 

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